Kammersängerin
Edita Gruberova

 

Offener Brief an Herrn
 
Ministerpräsidenten
Dr. Edmund Stoiber
Franz-Josef-Strauss-Ring 1
80539 MÜNCHEN

 

München, 19.11.2004

 

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident!

 

In großer Sorge wende ich mich an Sie, in der causa "Münchner Rundfunkorchester" im Speziellen, sowie "Kultur in Bayern und Deutschland" im Allgemeinen, ihre persönliche Hilfe bei der Zähmung gewisser Sparwüteriche zu erbitten, die durch ihre Kunst- und Kultur-Zerschmetteraktionen die deutsche Nation in bessere Zukunft zu führen glauben.

Seit nunmehr dreißig Jahren schätze ich mich glücklich, in Deutschland, speziell in Bayern - an der Münchner Staatsoper und mit dem Münchner Rundfunkorchester - zu arbeiten, Publikum zu gewinnen und zu begeistern, und dabei Werte aufzubauen, die mir durch nichts und niemanden zu zerstören möglich schienen. Durch die brutale Entscheidung des BR-Intendanten, Herrn Thomas Gruber, das Münchner Rundfunkorchester einfach aufzulösen, bekomme auch ich das schmerzhafte Gefühl, durch "Kunst-Amputation" mitleidslos an die Kante eines drohend-tiefen Abgrunds gestoßen zu werden. Denn es ist eben ausschließlich die Kultur, die zum Atmen einer Nation unentbehrlich ist, und die deren geistiges Fortleben sichert. Wie anders wäre das Erbe eines Mozart oder Richard Strauss (den der liebe Gott uns dankenswerter Weise nach Bayern gesetzt hat!) zu bewahren und zu pflegen als mit Institutionen, wie es ein Orchester ist?! Im Namen aller Künstler und zum Wohlergehen der Menschheit wollen und können wir daher nicht zulassen, daß die letzte uns verbliebene Bastion - die Kunst - auch nur im Geringsten in Frage gestellt wird!

"Die Künste fliehen vor den Barbaren in den Olymp" - dieser Titel eines alten Kupferstichs hat mich vor ein paar Tagen wieder einmal nachdenklich gemacht - wollen wir sie, die Künste, nicht lieber als einen göttlichen Abglanz auf unserer Erde bannen, da, wo sie seit Jahrtausenden sich entfaltet haben? Man rechtfertigt die Auflösung einer kulturellen Institution allen Ernstes mit "Sparmaßnahmen"!? Es werden in Bayern doch auch nicht die Kirchen niedergerissen, nur weil sie von den Gläubigen nicht immer ausreichend besucht werden!

Was ist denn der Grund, daß die heutige Jugend sich immer weniger mit den überlieferten Werten befaßt? Etwa weil sie, die Jugend, so "schlecht" ist? Oder vielleicht, weil die Verantwortlichen den Bildungsauftrag zunehmend verkümmern lassen?! Das Münchner Rundfunkorchester ist ein hervorragender Klangkörper und ein in jahrelanger Aufbauarbeit zu einer wichtigen Institution herangewachsenes Kollektiv, das gerade in dieser Jugend-Arbeit heute eine äußerst wichtige Funktion einnimmt. Ich bitte Sie, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, daher aufrichtig, jene in die Wüste zu schicken, die sich erlauben, seine Existenz zu gefährden! Als Trägerin der wichtigsten bayerischen Auszeichnungen bin ich Ihrem Lande sehr verbunden, und fühle mich mit allen hier wirkenden künstlerischen Kräften zutiefst solidarisch!

Mit sehr herzlichem Gruß

Ihre

 

Edita Gruberova


Facsimile of the original letter: Page 1 Page 2
Back to the news section of the Edita Gruberova Fan Page